Was ist eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte?

Die Lippenspalte kann die Oberlippe bis zur Nase durchziehen, eventuell noch den Oberkiefer einbeziehen oder auch nur als relativ kurze Kerbe einen Teil der Oberlippe betreffen. Die Lippenspalte ist meistens einfach, manchmal auch doppelt angelegt.

Bei der Gaumenspalte kann sowohl der vordere harte als auch der hintere weiche Gaumen betroffen sein. Dabei treten eine Kieferspalte oder eine Kiefer-Gaumenspalte niemals allein für sich, sondern stets gemeinsam mit einer Lippenspalte auf. Nur die Lippenspalte selbst sowie die Gaumenspalte können jeweils isoliert auftreten.

Dabei ist die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte nie exakt mittig platziert, sondern stets ein wenig rechts oder links neben der symmetrischen Mittelachse. Vergleichbar verhält es sich mit der doppelten Spaltenbildung. Eine Ausnahme bildet der weiche Gaumen, bei dem die Fehlbildung exakt auf der symmetrischen Mittelachse verläuft und bei dem es auch keine doppelte Spaltenbildung gibt.

Wie häufig ist die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und bei wem tritt sie auf?

Statistisch tritt die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in Mitteleuropa bei jedem 500. Neugeborenen auf. Jungen sind geringfügig häufiger betroffen als Mädchen. Ungefähr die Hälfte machen durchgängige Lippen-Kiefer-Gaumenspalten aus. Knapp ein Drittel sind isolierte Gaumenspalten und 20-25 % isolierte Lippenspalten und Lippen-Kieferspalten. Einseitige Lippen-Kiefer-Gaumenspalten befinden sich doppelt so häufig auf der linken Seite als auf der rechten.

Wie kommt es überhaupt zu einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte?

In der Frühphase der Embryonalentwicklung bilden sich verschiedene Gesichtsteile voneinander getrennt aus, bevor sie später zusammenwachsen. Das sogenannte Philtrum, die senkrechte Furche zwischen der Oberlippenmitte und dem Beginn der Nasenscheidewand, ist quasi die Nahtstelle zweier zusammengewachsener Bereiche. Verläuft das Zusammenwachsen gar nicht oder nicht vollständig, entsteht eine Spalte, ebenso, wenn frisch zusammengewachsenes Gewebe wieder aufreißt. Die Verbindung der Gaumenteile erfolgt etwas später. Wird der Verbindungsprozess gestört, kommt es auch hier zur Spaltung. Es handelt sich also um zwei separate Entwicklungsstörungen. Häufig treten aber beide gemeinsam auf.

Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann sowohl eine innere – also erbliche beziehungsweise genetische – Ursache haben als auch durch äußere Einflüsse bedingt sein, die die Entwicklung des Embryos stören.

Erbliche Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

Der genaue erbliche Verlauf einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist bisher nicht geklärt. Vermutlich sind mehrere Gene ursächlich. Dabei fällt ein offenbar familiär begünstigtes Vorkommen auf. Je mehr Verwandte eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte haben und je enger diese Verwandtschaft ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Baby ebenfalls eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hat.

In der Diskussion stehen außerdem weitere Fehlbildungen, die oft mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kombiniert sind. Einige davon sind erblich, andere wiederum nicht. Insgesamt ist das Geschehen sehr komplex mit entsprechend großem weiterem Forschungsbedarf.

Nichterbliche Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

Beobachtet wurden außerdem äußere Einflüsse, die das Auftreten einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zu begünstigen scheinen. Auch hier sind noch viele Fragen offen. Zu den vermuteten äußeren Faktoren zählen zum Beispiel:

  • Alkoholmissbrauch der Schwangeren
  • Rauchen während der Schwangerschaft
  • Virusinfektionen während der Schwangerschaft, beispielsweise Röteln
  • körperlicher oder seelischer Stress bei der Schwangeren
  • Einnahme bestimmter Medikamente
  • Röntgen-Strahlung

Was für Komplikationen und Beschwerden verursacht eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte?

Der Grad der Beeinträchtigung durch eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hängt natürlich von ihrer Art und Ausprägung ab. Dabei wirken sich die Beeinträchtigungen bei vorhandener Gaumenspalte schwerer aus. Typische Auswirkungen von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten sind:

  • erschwertes Trinken und Essen
  • beeinträchtigte Atmung
  • gestörte Lautbildung beim Sprechen
  • Zahnfehlbildungen und Zahnschäden
  • Wachstumsstörungen im Gesicht
  • Neigung zu Mittelohrentzündung aufgrund fehlender Ohrbelüftung

Therapie der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

So variantenreich die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte auftritt, so individuell erfolgen auch die Behandlungen. Hauptziel der Therapie ist das Schließen der Spalten auf chirurgischem Wege. Es gilt dabei, zum einen die mit der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte verbundenen Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen zu beseitigen sowie absehbaren Wachstumsstörungen entgegenzuwirken und zum anderen ein gutes kosmetisches Ergebnis zu erzielen. Später können weitere korrigierende Operationen erforderlich werden. An der medizinischen Therapie beteiligen sich Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen und gegebenenfalls Kieferorthopäden, außerdem Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Logopäden absolvieren mit den Patienten spezielle Sprechübungen. Dank moderner Medizin sind Patienten heutzutage nach chirurgisch korrigierter Lippen-Kiefer-Gaumenspalte praktisch beschwerdefrei und die Operationsnarbe ist von außen gar nicht oder kaum noch erkennbar.